Islay (10.–13. Juni 2004), auf den Spuren schottischer Kultur und Gegenwart

10. Juni 2004, ca. 16.00 Uhr: Lothar und Edgar befinden sich gerade zwischen Roßdorf und Darmstadt, um Hans-Willi und Klaus abzuholen, als der Himmel seine Schleusen öffnet und die Welt untergeht. Also höchste Zeit, das unwirtliche Deutschland zu verlassen und in dem für sein beständig mildes Klima bekannten Schottland Zuflucht zu suchen. Doch bevor wir die rettenden Gestade der Inneren Hebriden erreichen sollten, galt es noch einige Hindernisse zu überwinden.

Die erste Bewährungsprobe erwartete uns auf dem Flugplatz Hahn in Form einer sich schwierig gestaltenden Suche einer freien Parkmöglichkeit. Nachdem Lothar seinen bayerischen Nobelwagen in eine Smart-gerechte Parklücke gequetscht hatte, galt es die Zeit bis zum Abflug im anheimelnden Terminal totzuschlagen. Ein bekanntes Produkt der nahe gelegenen Eifel erwies uns dabei hilfreiche Dienste (Bild).

Nach einem ausgesprochen ruhigen Flug landeten wir flugplangemäß auf dem Flughafen Prestwick in der Nähe Glasgows. Dort erwartete uns die nächste Prüfung am Stand der Autovermietung in Form eines (sagen wir mal) pensionierten deutschen Studienrates, der die Geduld der Angestellten und der in der Schlange hinter ihm auf einen Mietwagen Wartenden auf eine harte deutsche Probe stellte. Zum Glück blieb uns eine weitere Begegnung mit dieser Spezies während unseres weiteren Schottland-Aufenthalts untersagt.

Nachdem unser Zeitplan ob dieses unvorhergesehenen Ereignisses gewaltig in Unordnung geraten war, ging es mit unserem gemieteten Fahrzeug (Bild) in einem wahrhaft teuflischen Ritt durch die die nächtlichen Straßen der Grafschaft Argyll kreuzende Schafe unserem Übernachtungsziel zu. Das Stag Hotel in Lochgilphead (Bild) erwies sich als ausgesprochen geeignet für morpheusologische Studien (oder lag es vielleicht doch an unserem Erschöpfungszustand.

Am nächsten Morgen wurden nach einem "full Scottish breakfast" (black pudding, baked beans, so eine Art gebackener Fleischkäse, Spiegelei mit Speck, Pfannkuchen, marmelade, cereals, Orangen- und Grapefruitsaft, Kaffee und/oder Tee und die unvermeidlichen getoasteten Wattescheibchen) die gut 30 km bis zum Fährhafen Kennacraig mit neuem Elan zurückgelegt (Bild). Dort rollten wir dann an Bord einer nur spärlich belegten Fähre (Bild).

War es bei unserem Ablegen noch etwas trübe, so klarte es währen der ruhigen Überfahrt zusehends auf, und der Hafen von Port Ellen empfing uns mit strahlendem Sonnenschein (Bild). Vom Wasser aus konnte man schon die ziemlich hässliche Mälzerei sehen, doch auch die strahlend weiße Destillerie (Bild), in der heute leider, leider kein Whisky mehr produziert wird. Doch das ist eine andere Geschichte.

Nun war es geschafft: Endlich waren wir am Ziel unserer Träume – auf der Hebrideninsel Islay (Bild).

Umgehend suchten wir unser Domizil für die nächsten zwei Tage auf, das Bowmore Hotel in der Inselhauptstadt – richtig – Bowmore (Bild). Auf dem Weg dorthin kamen wir an dem Wahrzeichen Bowmores vorbei, der Rundkirche (Bild). Diese verdankt ihre runde Bauweise der Tatsache, dass man dem Teufel keine Gelegenheit geben wollte, sich in einer Ecke der Kirche zu verstecken. Man muss sich allerdings fragen, warum es den Teufel auf einer Insel mit noch sieben produzierenden Whisky-Destillerien (Bild) ausgerechnet in eine Kirche verschlagen sollte.

Nachdem wir im Hotel, in dem zur Mittagszeit an der Bar schon der Bär steppte, unsere wunderschönen Zimmer (Bild) bezogen hatten, nahmen wir im Lochside Hotel ein kleines Mittagsmahl zu uns, denn wir mussten uns für unseren ersten Destillerien-Besuch doch noch etwas stärken. Danach ging es in den Süden zur Laphroaig Destillerie (Bild), wo wir einen ersten Informationstermin hatten.

Laphroaig ist die Destillerie, die in den letzten Jahren am stärksten expandierte. Leider merkt man das auch ein wenig, da man sehr viel Augenmerk auf ein Marketing-Konzept legt ("Friends Of Laphroaig"), das man uns auch während unserer Tour stolz erläuterte. Man wurde nie das Gefühl so restlos los, industriell abgefertigt zu werden. Allerdings ist der Eindruck der Destillerie auch gewaltig: eigene Malting Floors (ca. 30 % der gemalzten Gerste kommen aus dem eigenen Haus, der Rest von Port Ellen), riesige Washbacks (dort wird die Brühe angesetzt), beeindruckende Brennblasen ("Stills" genannt) und mehrere (!) verplombte "Sprit-Tresore" (Bild), in denen der Stoff für die Fassreife von dem für eine erneute Behandlung getrennt wird. Das Produkt dieses wundersamen Prozesses hat eine fast schon brutal zu nennende Phenol-Note und eignet sich nicht unbedingt für eine Whiskynovizin oder einen Whiskynovizen.

Nach dem obligatorischen Dram am Ende der Tour ging es über Bowmore an den südwestlichen Zipfel der Insel nach Portnahaven. Dort erinnert eine malerische Häuserzeile sehr stark an das Fischerdörfchen aus dem Film "Local Hero". Das Abendessen wurde in Islays zweitem Fährhafen, Port Askaig, eingenommen und ein Schlummertrunk an unserer Hotelbar.

Nach dem "full Scottish breakfast" (diesmal mit den berüchtigten sausages statt des gebackenen Fleischkäses) am nächsten Morgen stand die Informationstour durch die Bowmore Destillerie (Bild) auf dem Programm. Irgendetwas muss dort schief gelaufen sein, denn der professionelle Führer erschien nicht, und so mussten wir mit einer Führung durch den Manager des Betriebes vorlieb nehmen. Der ist Ingenieur, und so geriet die Tour etwas "technischer" als die vom Vortag.

Auch die Bowmore Destillerie verfügt über eigene Malting Floors (Bild) (40 % der benötigten gemalzten Gerste, der Rest aus Port Ellen), und die Stills (Bild) sind nicht weniger eindrucksvoll als die von Laphroaig. Die Destillerie arbeitet auf höchstem technischen Niveau, sodass kaum noch Personal benötigt wird. Unverzichtbar ist aber auch hier der "Brennmeister", der vor dem "Sprit-Tresor" (Bild) über Wohl und Wehe des zukünftigen guten Tropfens entscheidet. Das Produkt ist ein gut trinkbarer 12-Jähriger, ideal, um sich einen ersten Eindruck von den Islay-Malts zu verschaffen.

Da bis zu unserem Ardbeg-Besuch noch einiges an Zeit verblieb und in Port Ellen ein Beach-Rugby-Turnier stattfand, worauf in der Bowmore Destillerie, die als Hauptsponsor auftrat, ausdrücklich hingewiesen wurde, dachten wir, ein bisschen Sport könne nichts schaden. Doch bevor die Spieler sich gegenseitig im Sand zu verbuddeln suchten, wurden sie erst einmal der Tradition gemäß mit einem Ständchen willkommen geheißen (Bild). Danach ging es aber unverzüglich zur Sache (Bild). Wenn uns auch die Regeln dieses sandigen Vergnügens nicht so ganz verständlich geworden sind, so muss es doch ein ungemein reizvoller Zeitvertreib sein. Wie anders ließe sich erklären, dass ein kaum über einen Zentner wiegendes "halbes Hemd", nachdem es von einem Zweieinhalb-Zentner-Mann ungespitzt in den Boden gerammt wurde, kaum aus seinem Koma erwacht, sich umgehend wieder ins Getümmel stürzte.

Leider konnten wir das Ende dieses Mega-Events nicht mehr mitverfolgen, rief uns doch ein weiterer kultureller Höhepunkt: Die Informationstour durch die Ardbeg Destillerie (Bild) sollte so etwas wie das Highlight unseres Islay-Aufenthaltes werden. Das fing schon einmal bei der familiären Größe der Gruppe an: Außer uns nahmen noch eine neuseeländische Familie (Mutter, Vater, Sohn) und ein niederländischer Radfahrer an der Führung teil. Unsere Tour Guide war die reizende Jackie Thomson (Bild), die Ehefrau des Managers der Destillerie. Mit viel Herzenswärme und Humor führte sie uns durch den immer noch im Wiederaufbau befindlichen Betrieb, vorbei an den imposanten Washbacks (Bild) hin zu den kupfernen Stills, aus denen das unverwechselbar torfige Produkt in den "Sprit-Tresor" (Bild) destilliert wird. Danach wird es in die Bourbon-Fässer abgefüllt, auf denen wir uns eine kleine Ruhepause gönnten (Bild). Schließlich durften wir uns gestärkt fast durch die komplette Produkt-Range hindurchprobieren und vernahmen mit Freude, dass unsere CD regelmäßig gespielt wird. Vor allem Richard Martins sexbesessener Papagei hat sich dort schon einen gewissen Ruf erarbeitet, schockt er doch erfolgreich ältere Damen, die zum Kaffee- oder Teetrinken in das der Destillerie angeschlossene gemütliche Café kommen.

Leider mussten wir nach etwa zwei Stunden Ardbeg wieder verlassen, und da das Wetter war, wie es schöner nicht hätte sein können, entschlossen wir uns zu einer Fahrt entlang der Küste in nördlicher Richtung. Hier konnten wir dann die in ein traumhaftes Licht getauchte Flora und Fauna Islays bestaunen: Wunderschöne Rhododendren (Bild), Heidelandschaft, Wiesen mit dazu gehörigen Bewohnern (Bild), Strandlandschaft mit erwarteter (Bild) und unerwarteter Bevölkerung (Bild), und als Höhepunkt die Samstagnachmittag-Badestunde einer Robbenkolonie (Bild). Eines dieser drolligen Kerlchen (oder Weibchen?) war von Lothars Erscheinung dermaßen fasziniert, dass es allen Robbeninstinkt beiseite ließ und munter frech auf ihn zuschwamm (Bild).

Am Ende unseres "Strandausflugs" stand mit Kildalton Cross (Bild) das älteste vollständig erhaltene Hochkreuz Schottlands. Es wurde ca. 800 errichtet und befindet sich im Kildalton Churchyard, neben dem Gemäuer der Kildalton Church, die ein gut erhaltenes Wandrelief (Bild) beherbergt.

Auf unserer Rückfahrt nach Port Ellen, wo wir an einem sehr kleinen Tisch ein sehr großes indisches Abendessen zu uns nahmen, kamen wir unter anderem auch an einer Stätte (Bild) vorbei, die uns eindringlich daran erinnerte, dass wir während unseres zweitägigen Islay-Aufenthaltes noch längst nicht alle kulturellen Traditionen der Insel erforscht hatten. Eine weitere Erinnerungshilfe erhielten wir in einem unscheinbaren Spar-Lädchen (Bild) in Bowmore, das die Kostbarkeiten der Insel zu gerade noch erschwinglichen Preisen anbietet. Die Raritäten sind zwar nicht billig, doch billiger als in Deutschland sind sie allemal – ganz im Gegensatz zu den "Jeden-Tag-Whiskys", die in Schottland (auch in den Destillerien) merkwürdigerweise mehr kosten als bei uns.

Am Abend fand in Port Ellen ein Tanzvergnügen statt, "Ceiligh" genannt, das wir uns nicht entgehen lassen wollten. Zu Beginn zeigte die uns bereits vom Mittag bekannte Pipes-and-drums-Band ihr musikalisches und choreographisches Können. So nach und nach liefen die Rugby-Spieler vom Turnier ein und machten den Job des Auktionators einer von der Bühne aus stattfindenden Auktion (vor allem eine historische Jahrgangsflasche Bowmore-Whisky mit den Autogrammen zweier anwesender schottischer Rugby-Nationalspieler erzielte eine horrende Summe) ob ihrer Lautstärke nicht gerade zu einem Vergnügen. Als dann die Band, bestehend aus zwei älteren Locals mit Gitarre, Keyboard und Midi-Unterstützung, zum Tanz aufspielte, beschlossen wir zu gehen, denn zum einen entsprachen die Getränke nicht so ganz unseren Erwartungen (unter amerikanischer Lizenz gebrautes "Budweiser" aus Flaschen und ein einheimisches Lager aus Dosen sind keine Alternativen, von den Weinen [weiß und rot] reden wir lieber erst gar nicht), zum anderen waren wir mit den weit ausholenden Tanzschritten der Rugby-Tänzer nicht unbedingt vertraut.

Nach einem letzten Schlummertrunk an unserer Hotelbar, einem letzten Schlaf auf Islay und einem letzten "full Scottish breakfast" hieß es am nächsten Morgen Abschied nehmen. Die Fähre nach Kennacraig war nun gut besetzt, vor allem dank der Rugby-Spieler, die, geschmückt mit Plessuren, von denen einige eindeutig nicht vom Beach-Rugby herrührten, die Stätte ihres Triumphes oder ihrer Schmach wieder verließen. Ein letzter Blick zurück zur Insel (Bild) bestärkte uns in dem Wunsch, unbedingt unsere Forschungen dort zu vervollständigen.

Von der Rückfahrt und dem Rückflug ist nicht viel zu berichten, ein Hauch von Wehmut hing über alledem. Einzig die total chaotische Parkschein-Bezahlregelung beim Verlassen des Parkplatzes auf dem Flugplatz Hahn vermochte noch einmal die Emotionen hochzukochen. Etwas müde kamen wir dann in der Nacht zum Montag in unseren Familien-Basislagern an, und von da an war unsere Islay-Tour leider nur noch Geschichte, allerdings Geschichte, an die wir uns gern zurückerinnern, nicht zuletzt dank der kulturellen Vielfalt der Insel (Bild).

Ach ja, ein versprochenes Geheimnis ist noch aufzulösen. Das neueste Mitglied der Ardbeg-Produkt-Range "Uigeadail" spricht sich Uuhgedeahl (oder so ähnlich) aus, wobei das "Uuh" eine Öffnung des Mundes wie zum Gähnen erfordert, das "gea" das Anrollen der Zunge nach oben wie zu Beginn eines großen Schluckes begrüßen würde und das "dail" eine entspannte Vorwärts-Rückwärts-Bewegung der Zungenspitze als Voraussetzung benötigt, wobei die Rückwärtsbewegung wiederum nach oben auszuführen ist und ihren Endpunkt kurz vor dem Eintritt in die Luft-/Speisenröhrenöffnung südlich des Zäpfchens findet. Alternativ kann die Zungenspitze in einer doppelintervalligen Vorwärtsbewegung nach einem leicht nach unten abfallenden Beginn dann blitzschnell an den oberen vorderen Gaumen unmittelbar hinter die Zahnreihe geführt werden, wo der Laut in einer möglichst schmerzlosen Pressbewegung seine vollkommene Vollendung findet. Außerdem ist unbedingt der vorherige (nicht gleichzeitige!) Genuss zahlreicher Drams des gleichnamigen Getränks vonnöten.
Lothar hat sich diese doch nicht eben geläufige Aussprache gemerkt, indem er sich eine Eselsbrücke zu dem Wörtchen "Ugedaddel" baute. Was er jedoch mit "Ugedaddel" verbindet, möchten wir an dieser Stelle nicht offenbaren – wir wissen es schlicht nicht.

(Fortsetzung folgt nach unserer nächsten Tour)

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