Joseph O'Connor: Inishowen Blues

Joseph O'Connor gehört zur jungen Generation irischer Autoren. Er wurde 1963 in Dublin geboren und hat in Irland für seine schriftstellerische Arbeit schon diverse Auszeichnungen erhalten. Sein jetzt bei Fischer erschienener Roman "Inishowen Blues" beginnt als Kriminalroman. Sein eigentliches Thema ist jedoch die Suche nach der Herkunft, nach den eigenen Wurzeln – ein nicht nur irisches Thema.
Das Buch handelt vor allem von zwei Personen und es hat zwei Schauplätze: dem Kommissar Martin Aitken in Dublin und der Lehrerin Ellen Donnelly in New York. Schon der Titel des Buches beinhaltet diese zwei Welten.
Zunächst werden die Geschichten der beiden Personen getrennt erzählt, mehr und mehr verschränken sich aber die beiden Erzählstränge, bis sie am Ende (fast) zusammen kommen. Aitken ist 43 Jahre alt und Polizist in Dublin. Seine Ehe liegt in Scherben und er hat ein Problem mit dem Alkohol. Ellen Donnelly ist Mitte 40 und Lehrerin in New York. Sie hat zwei Kinder und ihr Mann, ein bekannter Schönheitschirurg, betrügt sie seit ca. zwei Jahren. Ihr Hauptproblem ist jedoch die Frage ihrer Herkunft. Sie weiß, dass sie in Irland geboren wurde, ihre Eltern kennt sie allerdings nicht. Als sie ihre familiäre Situation nicht mehr aushalten kann, flieht sie eines Tages Hals über Kopf nach Dublin. Sie hat außerdem vor kurzem erfahren, dass sie eine unheilbare Krankheit hat, die ihr nicht mehr viel Zeit lässt.
In Dublin trifft sie auf Martin Aitken, der sich zunächst beruflich mit ihr beschäftigen muss, ihr aber auch privat immer näher kommt.
Zusammen machen sie sich auf den Weg in den Nordosten Irlands, nach Inishowen in die Provinz Donegal. Ellen will dort ihre Mutter finden, Martin das Grab seines Sohnes besuchen, der dort vor vielen Jahren bei einem Unfall ums Leben kam.
Joseph O'Connor gelingen in seinem Roman einige eindringliche psychologische Studien. Sowohl der Dubliner Kommissar als auch die New Yorker Lehrerin sind blendend herausgearbeitet. Ihre Ängste, Wünsche und Sehnsüchte werden überzeugend beschrieben. Aber auch die Figur des Ehemanns von Ellen, Milton Amery, wird sehr plastisch. In der Szene, als er sich von seiner jungen Geliebten trennen will, gelingt O'Connor ein kleines erzählerisches Meisterstück. Alle Argumente, die er sich zurecht gelegt hat, hört er nun aus ihrem Munde. So wird auch er, der scheinbar alles im Griff hat, zu einer erbärmlichen Figur. Obwohl alles in Scherben zu liegen scheint bei diesen Personen, gibt es am Ende doch einen Schimmer von Hoffnung. Ellen hat einen Arzt gefunden und Martin wird sich um sie kümmern. Störend bei diesem Roman ist lediglich, dass einige Effekte zu melodramatisch wirken. Muss eine solche Geschichte unbedingt in der Weihnachtszeit spielen? Musste es unbedingt eine unheilbare Krankheit sein?
Diese Fragen ändern aber nichts daran, dass O'Connor ein großartiger Erzähler ist, der menschliche Verhaltensweisen präzise beobachten und beschreiben kann.

Joseph O'Connor: Inishowen Blues. Aus dem Englischen von Esther Kinsky. Frankfurt/M.: Fischer Verlag 2001, € 20,40